Gerade läuft die erste Social Media Woche der Grüne Funke vom Rat für zukunftsweisende Entwicklung. 🥳 Wir sind sehr gespannt, euch hierbei eine ganze Woche auf Instagram, Telegram (@RZE_Willkommen) und Twitter (und hier!!) mitzunehmen.💬 Ihr könnt euch auf tolle Bilder, spannende Beiträge und ganz viel interessantem freuen. Ihr habt die Möglichkeit, jeden Tag etwas Neues im Themenkomplex der Nachhaltigkeit kennenzulernen, wobei der Spaß und der studentische Austausch im Vordergrund stehen soll. Ihr seid ganz herzlich dazu eingeladen, eure Erfahrungen, Eindrücke, Bilder und vieles mehr mit uns über die sozialen Netzwerke zu teilen. Wir freuen uns auf eine fantastische und spannende Woche!😃 Am Mittwoch ist Pilz-Tag! Pilze sind faszinierende Lebewesen, das wollte auch „Pilzenthusiast“ Micha mit uns teilen! – Danke!!
Über den Autor: Micha Alt, Wald- und Wildnispädagoge bei den Berliner Waldschulen, Pilzcoach der Deutschen Gesellschaft für Mykologie (DGFM), Mitbegründer der Pilzzucht-AG „Fungi-Friday“ im Gemeinschaftsgarten Himmelbeet, Pilzenthusiast
Heimliche Herrscher & treue Verbündete
Myzelium
Bild1: https://www.waldwissen.net/de/lebensraum-wald/baeume-und-waldpflanzen/pflanzenoekologie/mykorrhiza
Wer oder Was seid ihr eigentlich?
Was haben Ochsenzunge, Schweinsohr und Ziegenbart gemeinsam? Keine Ahnung? Diese skurrilen Namen beschreiben oft bizarre Formen und Farben von wundersamen Organismen die allgegenwärtig unter uns sind. Zugegeben sind Frauentäubling und Austernseitling vielen unter uns bekannter und spätestens bei Maronen, Pfifferlingen und Champignons lüftet sich der Schleier. Willkommen im Reich der Pilze! Jedoch ist die Bezeichnung Pilz nicht ganz korrekt, denn was wir manchmal bei einem Waldspaziergang an der Oberfläche entdecken können sind nur die Früchte eines weitaus größeren Lebewesens. Meist unsichtbar für unsere Augen leben die eigentliche Pilze in den verschiedensten Substraten. Auf der Suche nach Nahrung steht das spinnwebenartige weiße Geflecht (Myzel) stets in molekularer Kommunikation mit seiner Umwelt. Es wächst stetig weiter, teils bis zu gigantischen Ausmaßen, wie beispielsweise im Bundesstaat Oregon. Im Malheur National Forest ist der dunkle Hallimasch mit einem Alter von ca. 2400 Jahren und einer Ausdehnung von 9 km² das größte Lebewesen der Erde.
Pilze sind keine Pflanzen
Ein eigenes Reich? Ja und das vollkommen zurecht! Lange genug waren Pilze im Reich der Pflanzen eingegliedert, da sie mit ihren „pflanzenähnlichen“ Strukturen auch oft in erdigen Substraten leben, eine Zellwand besitzen und wie Farne auch Sporen für ihre Vermehrung nutzen. Aber: Pilze ernähren sich nicht wie Pflanzen autotroph, da sie aufgrund des fehlenden Blattgrüns keine Photosynthese betreiben können, sie müssen fressen. Aufgrund ihrer heterotrophen Ernährungsweise stehen sie den Tieren also viel näher und neueste DNA-Forschungen bestätigen dies. Tiere und Pilze haben sich aus demselben Ast des evolutionären Stammbaums entwickelt, was wir oft vergessen oder nicht wissen. Ein Blick in unser Erbgut enthüllt, dass wir über 50 % mit dem der Pilzen teilen! Jedoch besitzen Pilze im Gegensatz zu Tieren eine hauchdünne aber extrem feste Zellwand. Der komplexe Stoff Chitin, aus dem auch die Panzer von Krustentieren und Insekten bestehen, ist dafür verantwortlich. Innerhalb einer jeden Zelle finden sich zwei haploide Zellkerne, also mit je einem einfachen Chromosomensatz. Ganz schön eigen oder?
Innige Partnerschaft zwischen Pilz & Pflanze – Mykorrhiza
Obwohl Pilze und Pflanzen wenig gemeinsam haben, so pflegen viele von ihnen doch eine sehr intensive Partnerschaft. Etwa 90 % aller Pflanzen sind im wahrsten Sinne des Wortes vernetzt und profitiert von dieser Symbiose, der sogenannten Mykorrhiza (altgr. mýkēs, Pilz und rhiza, Wurzel). Dabei umhüllen die feinen Pilzfäden die Feinwurzeln der Pflanze. Wissenschaftliche Forschungen haben gezeigt, dass Pilze bereits vor 460 Millionen Jahren eine innige Beziehung mit den ersten Landpflanzen eingingen. In den fossilisierten Wurzeln von Bärlappgewächsen und auch in der Gattung der Urfarne wurden erste gesicherte Beweise einer Mykorrhiza gefunden. Nach der Auffassung vieler Botaniker und Ökologen wurde der Landgang der Pflanzen erst mit der Hilfe der Pilze möglich.
Durch die Mykorrhiza wird die potentielle Wurzeloberfläche der Wirtspflanze um ein Vielfaches vergrößert und die Wasseraufnahme verbessert. Da der Pilz die Pflanze stets mit wichtigen Mineralen, Spurennährstoffen und Stickstoffverbindungen versorgt, führt dies zu einem schnellen und gesundem Pflanzenwachstum, sowie einer früheren Blüte und größeren Früchten. Vor allem Nadelbäume auf nährstoffarmen Standorten freuen sich über einen starken Pilzpartner. Zusätzlich bietet das Myzel einen gewissen Schutz vor Wurzelkrankheiten, ausgelöst durch Bakterien oder phytopathogene Pilze. Diese natürliche Barriere ist sogar in der Lage schädliche Stoffe wie Schwermetalle oder andere Umweltgifte aus der Nährstofflösung heraus zu filtern. Eine beträchtliche Dienstleistung. Doch was hat der Pilz davon? Da Pilze kein Blattgrün, sondern lediglich Melanin enthalten, können sie keine Photosynthese betreiben. Zudem kommt, dass viele Mykorrhizapilze nicht über die Enzyme verfügen, welche die Zersetzer einsetzen um komplexe Kohlenhydrate abbauen zu können. Sie sind sie also auf die Hilfe von Pflanzenpartnern und deren „Zucker“ angewiesen. Bis zu 25 % der produzierten Glukose erhält der Pilz für seine Dienstleistungen. Energie die der Pilz gut für seinen Stoffwechsel und Zellaufbau gebrauchen kann.
Mykorrhiza: Feinwurzeln und Pilzhyphen
Allein in einem cm³ Waldboden können bis zu mehreren Kilometern hauchdünner Pilzfäden vorkommen. Das unterirdische Myzelnetzwerk fungiert dabei als ein gigantisches Nährstoffreservoir, welches in direkter Verbindung mit den Bäumen steht und auch in harten Zeiten angezapft werden kann. Junge Bäume, welche aufgrund des geringen Lichtangebots am Waldboden nur wenig bzw. keine Photosynthese betreiben können, werden mit Zucker über das Netzwerk mitversorgt, genau wie Bäume die einen akuten Nährstoffmangel aufweisen. Doch nicht nur intraspezifisch, sondern auch unter verschiedenen Baumarten findet dieser Austausch statt. Dabei pflegen Bäume sogar eine Beziehung mit mehreren Pilzpartnern. Darunter finden sich alle Röhrlinge, aber auch viele essbare und giftige Lamellenpilze.
Das Hyphengeflecht ist aber keineswegs „nur“ ein reiner Umschlagplatz für Nährstoffe. Studien zufolge werden neben Nährstoffen auch Nachrichten ausgetauscht, welche andere Individuen frühzeitig vor Angreifern (z.B. Borkenkäfern) warnen. Durch die Aussendung von chemischen Botenstoffen können die so vernetzten Bäume in weniger als 6 Stunden ihre Verteidigungsstrategien vorbereiten. Es lohnt sich also eine verlässlichen Partner an der Seite zu haben. Das Mykorrhiza-Netzwerk ist heutzutage vielen auch unter dem Namen „Wood Wide Web“ bekannt. Der weltweit anerkannte Mykologe Paul Stamets spricht vom „neurologischen Netzwerk der Natur“ und sieht Pilze als eine Schlüsselrolle für die Lösung aktueller Probleme des 21. Jahrhunderts.
24 / 7 – Transformatoren zwischen Tod und Leben
Wenn es um professionelles Recycling geht, dann sind Pilze die effektivsten Spezialisten für jeden noch so harten Auftrag. Die Zersetzerpilze (Saprobionten) sind zahlenmäßig am meisten unter den Pilzen vertreten. Denn aufgrund ihrer speziellen Lebensweise sind sie für alles gerüstet: tote Pflanzen, Früchte, Samen, Insekten, Säugetiere und deren Hinterlassenschaften. Alles kein Problem! Von allem was in aquatischen und terrestrischen Systemen anfällt zersetzen Pilze satte 90 Prozent. Dabei zerlegen sie komplexe organische Verbindungen mit Hilfe von speziellen Säuren und Enzymen, welche sie über ihr weit verzweigtes Geflecht (Myzel) von mikroskopisch feinen, spinnenartigen Zellfäden (0,002 – 0,1 mm) den sogenannten Hyphen absondern. Über diese nehmen sie anschließend die gewonnenen Kohlenhydrate, Proteine und Fette durch Osmose zu sich und bauen ihre Zellwände in Form von Polysachariden auf. Pilze machen Kohlenstoff, Stickstoff, Phosphor und Minerale als Nährstoff e für Pflanzen, Insekten und andere Organismen wieder verfügbar und sind daher ein unersetzbares Bindeglied im ewigen Stoffkreislauf, da sie die anderen Mitglieder des Ökosystems ernähren. Je nach Zersetzungsgrad werden organische Stoffe von primären, sekundären oder tertiären Zersetzern in ihre einzelnen Bestandteile zerlegt. Während beispielsweise Austernseitlinge auf Baumstämmen anzutreffen sind, benötigen Champignons bereits „vorverdaute“ Substrate, wie Kompost oder Waldboden. Sie benötigen für ihr Wachstum also komplexe mikrobielle Lebensgemeinschaften.
Austernseitlinge im Himmelbeet
Bild3: https://himmelbeet.de/veranstaltung/fungi-friday-pilz-ag-2
Ihr ständiger Appetit wird im professionellen Pilzanbau sehr geschätzt. Champignon, Shiitake, Kräuter- und Austernseitling sind wohl die bekanntesten und sind heutzutage in vielen Supermärkten zu finden. Sie können auf organischen Substraten wie Holz, Stroh, Mist usw. angebaut werden und bereichern unsere Speisekarte. Um jedoch an die Vitamine und Mineralstoffe zu kommen ist ausreichendes Erhitzen und Kauen angesagt, denn wie bereits erwähnt, besteht die Zellwand aus dem Polysaccharid Chitin und ist daher besonders hart zu knacken.
Entgifter, Baustoffe und Lebensmittel
Aufgrund ihrer Spezialisierung werden einige Saprobionten von Wissenschaftlern im Rahmen der biologischen Sanierung eingesetzt. Kontaminierte Böden oder Gewässer können durch Pilze bereinigt werden da sie mit ihren hochkomplexen chemischen Enzymen auch giftige Verbindungen wie polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe aufspalten und bis zu 96 % zu unschädlichen Substanzen abbauen. Ein gesunder Mutterboden ist mit seinem unterirdischen Myzelgeflecht in der Lage schädliche Bakterien aus dem Wasserstrom zu filtern und zu entfernen. Sogar der Abbau von Plastik ist durch Pilze möglich und ist aktueller Forschungsgegenstand der Wissenschaft.
Auch in anderen Bereichen kommen wir ohne Pilze nicht mehr aus. Zum Beispiel werden mithilfe bestimmter Pilzenzyme Waschmittel optimiert, bei denen hochwirksame Lipasen Fette verdauen und gleichzeitig ein Waschen bei geringer Temperatur erlauben. Aber nicht nur dessen Enzyme, sondern auch das Myzelium selbst wird immer häufiger verwendet. Dabei durchwächst der vegetative Teil des Pilzes unter kontrollierten Bedingungen die jeweiligen Substrate in den unterschiedlichsten Formen. So entstehen alternative Baustoffe wie Myzelziegel, Verpackungsmaterial, Fleischersatz oder veganes Leder. Weitere industrielle und technische Anwendungen finden sich unter anderem im biologischen Pflanzenschutz, in Medikamenten und natürlich der Lebensmittelindustrie.
Helm aus Myzel
Bild 4: www.designboom.com
Mit einem Pilz haben wir dabei eine ganz besondere innige Beziehung. Hefen sind einzellige Pilze und mit bloßem Auge nicht sichtbar. So unscheinbar wie sie sind, so bedeutend sind sie in unserer kulturgeschichtlichen Entwicklung. Bis heute sind sie bei der Bier- und Weinherstellung als auch beim Brot- und Kuchenbacken oder Fermentieren nicht wegzudenken. Interessant ist es auch, dass sich etwa 25 Prozent der Hefegene in unserem eigenen Genom finden lassen. Ein interessanter Verwandter! Neben der Hefe werden in der Lebenmittelindustrie aber auch oft Schimmelpilze gezielt eingesetzt. Ein typisches Beispiel ist die Herstellung von Camembert oder Roquefort.
Pilze und Gesundheit
Paradoxerweise war es auch ein Schimmelpilz, der in der Medizin einen Durchbruch erlangte. Im Jahr 1928 entdeckte der Bakteriologe Alexander Fleming zufällig die keimtötende Wirkung eines Schimmelpilzes der Gattung Penicillium, welcher versehentlich in seine Staphylokokken-Kulturen hineingeraten waren. 1942 wurde der wichtige Stoff aus einem weit potenterem Stamm isoliert und das erste Antibiotikum mit dem Namen Penicillin war geboren, welches in seiner Entwicklung hunderten Millionen von Menschen das Leben rettete. Allerdings birgt der heutzutage massenhafte, oft unbedachte Einsatz solcher Medikament große Risiken. Da die biowirksamen Medikamente nur unzureichend im Verdauungssystem abgebaut werden können reichern sie sich über das Abwasser im Meer an. Zu ihrem eigenen Schutz bilden Bakterien dann Resistenzen, und Antibiotika wirken nicht mehr, ein gefährlicher Teufelskreis. Ein Großteil der antibiotikaresistenten Bakterien entwickelt sich vor allem in Kliniken. Neueste Forschungen haben gezeigt, dass ein Bodenpilz, der sogenannte Gießkannenschimmel, eine hervorragende Performance gegenüber resistenten Bakterien aufweist und die Wirkung von Antibiotika wieder herstellen kann. Ist es wieder einmal ein Pilz der unser Leben rettet?
Penicillin vs. Bacteria
Bild 5: 6: https://medium.com/@yeonjoon.kim/module10-eid100-technological-breakthrough-penicillin-f5a58fed2d0
Pilze scheint es überall zu geben. Wir sind alltäglich von Ihnen umgeben. Wie steht es eigentlich mit uns? Sind wir verpilzt? und wie! Pilze leben auf unserer Haut, Schleimhäuten und im Darm. Für ein gesundes Immunsystem stellen sie keine Gefahr dar, sie sind sogar sehr wichtig. Ist der Körper allerdings über einen längeren Zeitraum geschwächt, entsteht ein Ungleichgewicht und sie können unsere Gesundheit bedrohen. Die bekanntesten unter ihnen sind Fußpilze. Ohne Behandlung können Pilzerkrankungen wie die Aspergillose, die Candida-Mykose und die Kryptokokkose unser Leben bedrohen.
In der Traditionellen chinesischen Medizin (TCM) sind sogenannte Vitalpilze seit Jahrtausenden hoch geschätzt. Reishi, Maitake, Shitake, Schmetterlingstramete und Birkenporling sind nur einige unter ihnen. Sie können unser Immunsystem stärken, Heilungsprozesse unterstützen und Krankheiten vorbeugen. In den letzten Jahren rücken Vitalpilze auch in der westlichen Medizin immer weiter in den Fokus wissenschaftlicher Forschung. Durch ihre chemischen komplexen und hochwirksamen Verbindungen wirken Heilpilze unter anderem antibakteriell, antiviral, antimykotisch und antikarzinogen. Das von der Natur hergestellte komplexe Spektrum verbindet sich, im Gegensatz zu den isolierten chemischen Medikamenten, besser mit unserem Körper und unterscheidet sich in Qualität und Wirkungsweise. So werden Vitalpilze auch immer häufiger bei Krebstherapien begleitend eingesetzt. Glücklicherweise ändert sich das Bewusstsein und so finden Pilze immer mehr Anwendungen im medizinischen als auch therapeutischen Bereich. Im mitteleuropäischen Raum wurden psylocybinhaltige Pilze bis 1960 erfolgreich als Therapeutikum bei Patienten mit Angst- und Charakterneurosen, sowie depressiven und neurotischen Verstörungen eingesetzt. Gerade in den letzten Jahren rücken sie wieder mehr in das Interesse der wissenschaftlicher Forschung und könnten des Weiteren zur Behandlung von Drogensucht und bei Krankheiten im Endstadium mit starken Schmerzen eingesetzt werden. Pilze gehören zu den ältesten Lebewesen der Erde und haben sich im Laufe der Evolution stets weiter entwickelt und spezialisiert. Sie überdauerten jede Katastrophe und ermöglichten immer wieder die Entwicklung neuen Lebens. Sie sind omnipräsent, sogar auf und in unserem Körper. Wir können einfach nicht ohne sie leben. Nehmen wir uns ihnen an, so können sie zu unseren treuen Verbündeten werden.
Über den Autor: Micha Alt, Wald- und Wildnispädagoge bei den Berliner Waldschulen, Pilzcoach der Deutschen Gesellschaft für Mykologie (DGFM), Mitbegründer der Pilzzucht-AG „Fungi-Friday“ im Gemeinschaftsgarten Himmelbeet, Pilzenthusiast