Ein Interview mit Timm Wille, einem der Gründer des Rat für Zukunftsweisende Entwicklungen.
Interviewer*innen: Käthe, Juliana, Roman und Anneken
Guten Morgen, Timm! Du bist ja einer der Gründer des RZE, daher möchten wir dich gerne fragen: Wie waren die Anfänge, wie lief der Gründungsprozess ab?
Das ist wirklich ein interessanter Punkt, um zu verstehen wie so etwas starten kann. [Hält einen kleinen Zettel in die Kamera] Das ist das älteste Dokument. Es ist leider ohne Datum, aber das ist aus dem Wintersemester 2013. Ich habe mich mit Kommilitonen über die Themen der Zukunft unterhalten und wir haben uns gefragt: was sind denn die Themen, die zukunftsweisend sind? Ich hatte mit einem Kommilitonen (Christian Albrecht) zusammen die Idee von einer Ringvorlesung. Hier auf dem Zettel sind die ersten Skizzen davon. „Zukunftsdialog“ sollte der Titel sein. Wir wollten uns über Konzepte der Nachhaltigkeit austauschen, das war zum Beispiel eins der ersten Themen. Dann haben wir ein Semester lang viele viele Gespräche geführt, unter anderem mit Professor Goldmann, der uns immer wieder motiviert hat. Und das führte dann zu der Idee eine Nachhaltigkeitsinitiative zu gründen. Es gab damals schon den Namen und ein erstes Logo. Wir haben dann in der FBR-Sitzung [Fachbereichsratssitzung] des FB8 unsere Idee vorgestellt. Das kam richtig gut an, es wurde direkt los diskutiert. Es hieß dann immer wieder „Macht ihr das mal!“ Von der Hochschulseite kam erstmal wenig Unterstützung, daher habe ich viele viele Paragraphen gelesen und dann schließlich hat mein Kommilitone (Christian Albrecht) einfach mehrere Anträge beim Stupa gestellt. Im Oktober 2015 gab es dann tatsächlich ein offizielles Papier, dass wir als Kommission des StuPa [Studierendenparlament] agieren können und wir haben auch einen Haushaltstitel bekommen.
In dieser Zeit entstand auch unser erster Flyer [Hält einen weiteren Zettel in die Kamera], der RATATAT, ein kleiner Faltflyer mit unseren Veranstaltungen.
Und was war eure Motivation, eure Idee hinter dem ganzen?
Wir haben ja das Motto der Hochschule „Studiere Zukunft!“, ein sehr schönes Motto, jedoch stellte sich mir die Frage, in welchem Studiengang oder Modul kommt das Thema eigentlich vor? Und in welcher Verantwortung studiere ich Maschinenbau?
Wir wollten also eine Lücke füllen, zwischen der Hochschule mit dem eigentlich tollen Motto und der Studierendenschaft. Dies wollten wir als Rat tun, also kein offizielles Gremium, sondern eher ein beratender Zusammenschluss, der diskutiert und gut vernetzt ist.
Wie seid ihr auf das Format „studentische Initiative“ gekommen?
Also zunächst mal gab es so eine Initiative bei uns an der Hochschule noch nicht. Wir waren ja zuerst eine Kommission des StuPa. Da gab es aber auch Uneinigkeit, was so eine Kommission genau ist und was ihre Rechte und Pflichten sind. Wir haben uns dann doch dafür entschieden unabhängig zu sein und selbstorganisiert handeln zu können, daher die Form der Studientischen Initiative. Man könnte sagen wir wollen kein entscheidendes Gremium sein, sondern ein ausführendes.
Was waren die ersten Projekte?
Wir wollten erstmal Veranstaltungen umsetzen. Eine der ersten Veranstaltungen: Plastik-Upcycling war unglaublich gut besucht. Wir haben Upcyclingworkshops veranstaltet, und Repaircafés und einige Filmabende. Hierbei gab es mal mehr, mal weniger Besucher. Ich war damals auch in der Funktion des Umweltreferenten beim AStA [Allgemeiner Studierenden Ausschuss] tätig, da haben wir u.a. das Campus-Beet gebaut, was heute noch vor dem AStA-Büro steht.
Was für eine Resonanz hat der RZE von Seite der Hochschule/ der Studierenden bekommen?
Die Resonanz von Hochschulseite war immer durchweg super, es hieß aber auch immer wieder „Macht mal ihr Studierende!“ Es gab dabei aber keine finanzielle oder materielle Unterstützung. Daher haben wir gedacht: wir als Studierende machen das, und zwar mit den Strukturen der Studierendenschaft (AStA, StuPa)
Wir wollten eine Art Rat bilden, uns also einfach über Fragen und Themen beratend zusammenzusetzen und diskutieren, ohne direkt Beschlüsse zu fassen oder ein Ziel zu haben. Dazu waren wir, wie schon gesagt, im Gespräch mit verschiedenen Leuten an der Hochschule. Und dann, Ende 2016 fing der RZE an sich zu etablieren, als eine Gruppe, die sich selbst organisiert.
Welche Rollen sind wichtig für das Funktionieren und Wachsen einer Initiative?
Beim RZE war auf jeden Fall hilfreich, dass mein Kommilitone sehr viel Erfahrung mit studentischen Initiativen mitgebracht hat. Ich bin bei der Begrüßung der Erstsemester auf die große Bühne gegangen und habe allen Studis erzählt was wir machen. Solche Personen oder Rollen braucht es am Anfang auf jeden Fall. Aber das hat sich auch einfach ergeben, weil wir motiviert waren und klar war, was wir machen wollten. Wir haben uns einfach organisiert.
Bis 2017 das Studium Generale ’Projektlabor: Zukunft und Nachhaltigkeit’ (kurz: PLZN) gestartet wurde, zählt alles noch zum Gründungsprozess. Mittlerweile zählt der RZE ja schon als etabliert, unterschiedlichste Stellen an der Hochschule kennen uns bereits. Einige nehmen uns sogar schon zur Beratung an die Seite.
Die weitere Geschichte müsste jemand anderes erzählen, da bin ich selbst etwas raus.
Aber um nochmal auf die Rollen zurückzukommen:
Es braucht wohl immer „Pro-Aktive“, die auf Stellen zu gehen. Nur auf diesem Weg können längerfristige Kontakte geknüpft werden. Dann braucht es „Umsetzer*innen“, die Veranstaltungen machen wollen und diese umsetzen, ohne lang rum zu planen/diskutieren – sondern machen! „Dokumentator*innen“, die Veranstaltungen und Projekte festhalten und sichtbar machen, ob über Website, Facebook, Plattformen im Allgemeinen.
Uns war immer wichtig, dass alle partizipieren – jede*r sollte mitmachen können. Es gibt daher keine festgefahrenen Schranken im Gegensatz zu Gremien. Es bildet quasi ein Gegenstück zu Gremien.
Alles in allem braucht es ein super diverses Team, sonst funktioniert es nicht und der RZE war immer schon genau das. Wodurch sich alles wie von allein organisiert, das zwischenmenschliche nicht zu kurz kommt und der Gemeinschaftsprozess bleibt bzw. immer stärker wird.
Was hast du gelernt?
Ich habe besonders viel aus der Anfangsphase gelernt. Man hat eine Idee, entwickelt ein Konzept, fängt an, das zu gestalten – Dinge umzusetzen. Das war für mich alles neu, hat aber gleichzeitig eine Menge Spaß gemacht. Es war einfach eine neue Herausforderung. Mir war der Bezug zur Gesellschaft, also zum Menschen wichtig und genau das hat der RZE mir gegeben. Nur deshalb habe ich auch noch meinen Master hier gemacht, um weiter mitzumischen.
Ich habe unfassbar viel und die unterschiedlichsten Dinge gelernt. Zum Beispiel über die Strukturen der Hochschule, aber auch den Punkt gefunden, an dem ich mich zurücknehmen sollte, sodass andere sich mehr einbringen können. Verantwortung tragen und Inhalte didaktisch verpacken. Das sind Dinge, die ein Studium gar nicht vermitteln kann.
Ich bin stolz auf die Dinge, die ich umgesetzt und geschafft habe. Es macht mich glücklich, gemeinsam mit Menschen etwas zu bewegen.
Was sind aus deiner Sicht die größten Stärken des RZEs?
Die niedrige Schwelle, um sich zu engagieren. „Wir haben da unser Treffen. Komm vorbei.“ entgegnen wir allen Interessierten. Natürlich kommen mal Leute vorbei und dann wieder nicht. Aber das ist ok. Manche kommen ja dann doch immer wieder.
Dann, dass der RZE so besonders durchmischt ist, in jederlei Hinsicht. Am Anfang waren wir größtenteils aus dem Fachbereich 8 und eine richtige Herrenriege. Das hat sich zum Glück mittlerweile gut geändert. Dazu Fachübergreifend – alle 8 Fachbereiche sind vertreten und kaum jemand studiert im gleichen Studiengang. Da kommen viele total unterschiedliche Menschen zusammen, total toll. Da zeigt sich, dass das Motto „Studiere Zukunft“ nichts mit einem Fach zu tun hat, sondern uns alle was angeht.
Der RZE ist eine Brücke, zwischen Studierendenschaft, Hochschule und Nachbarschaft – ein Bindeglied.
Wie hat sich der RZE aus deiner Sicht im Laufe der Zeit verändert?
Der RZE ist gewachsen. Wir haben mit einer super kleinen Gruppe angefangen. Heute sind wir immer noch mal mehr und mal weniger Menschen, aber wir haben einen größeren Kreis an Menschen, auf den wir zurückgreifen können.
Der RZE wird aktiv angeschrieben und angesprochen, ob von Seiten der Professor*innen, der Verwaltung oder aus der Studierendenschaft. Davon haben wir am Anfang nur träumen können. Da hat noch niemand daran geglaubt, dass eine Gruppe von Studierenden Expertise rund ums Thema Nachhaltigkeit hat – heute steht diese Frage im Raum und wir dienen als zentrale Anlaufstelle. Zum Beispiel verweist der AStA auf uns, wenn dort im Umweltreferat nicht viel los ist.
Am Anfang mussten wir zeigen, warum sowas überhaupt gestartet werden sollte und beweisen, dass der RZE Konsistenz hat: immer wieder neue Studierende dazu kommen, bleiben und weiter machen über unsere Zeit hinaus. Das haben wir bewiesen.
Die Arbeitsorganisation hat sich allerdings nicht verändert, es wird immer einfach irgendwie gemacht: Wir sitzen zusammen. Reden über Philosophie. Dann stehen unsere Veranstaltungen…
Was würdest du dir für den RZE für die Zukunft wünschen? Projekte/Visionen?
Das Lösen des ungeklärten Verhältnis der Rechtsform einer Initiative an der Hochschule, im Land Berlin. Ohne dass es ein bürokratischer Akt wird, der den RZE ausbremst.
Und die Weiterentwicklung der studentischen Lehre. Es ist vollkommen ok, dass Studierende Lehre machen und mitentwickeln. Die Grauzone muss ausgespielt werden für studentische Lehre, auch an unserer Hochschule. Ich würde mir wünschen, dass der RZE das weiter voran treibt.
Die Idee vom Runden Tisch steht schon länger im Raum. Hier wünsche ich mir einen Start und dass es sich an der Hochschule etabliert.
Es soll ein Raum geschaffen werden, wo nicht nur bereits engagierte Studierende mitreden können. Es sollen alle Statusgruppen mitreden. Es wird quasi ein Netzwerk aufgespannt, um die Gestaltung als zukunftsfähige Hochschule weiter und vor allem gemeinsam voranzubringen.
Es wäre cool, wenn der RZE weiterhin aufzeigen würde, welche Themen relevant sind. Aber alles was jetzt passiert ist einfach nur geil. Ihr rockt das!
Hoffe, dass der RZE lange Jahre bestehen wird.
Danke!
Danke, dass der RZE da ist, das hilft auch in der Professor*innenschaft 😉