Die BHT hat ein neues Präsidium: Zum 1. Oktober werden Werner Ullmann, Kai Kummert, Sabine Köhler und Thomas Reck ihre vierjährigen Amtszeiten antreten. Beworben hatte sich auch ein Studierender, der fast das wichtigste Amt für die Studierendenschaft übernommen hätte. Ein Gespräch mit Matthias Rataj
Hallo Matthias, Gratulation zum Wahlkampf! Beinahe wäre es für Dich zu einer Stichwahl um den Vizepräsidentschaftsposten gekommen. Wie bewertest Du Dein Ergebnis?
Hallo und vielen Dank erstmal. Das war für mich eine aufregende Zeit und sicher bisher der Höhepunkt meiner hochschulpolitischen Arbeit. Ich habe 19 Stimmen erhalten und damit nicht nur Stimmen der Studierenden [Anm.: 11 Studierende nahmen an der Abstimmung teil]. Das ist zunächst mal deutlich mehr als die meisten wohl erwartet hatten und auch für mich war es dann doch eine Überraschung.
Ich finde das Ergebnis aus zweierlei Sicht bemerkenswert. Zunächst einmal ist so eine Wahl natürlich immer eine Personenwahl und das Ergebnis ist somit auch ein Stück weit eine Anerkennung meines hochschulpolitischen Engagements der zurückliegenden 6 Jahre. Noch viel wichtiger scheint mir aber der Umstand, dass diese 19 Stimmen eben auch bedeuten, dass die Kandidatur eines Studierenden auf das Vizepräsidentenamt heute von der Hochschule ernstgenommen und nicht als Witz abgetan wurde. Das halte ich für unglaublich wichtig, denn ich betrachte dies als Indikator für den Stellenwert hochschulpolitischer Arbeit von Studierenden an unserer Hochschule.
Dass es nun am Ende doch nicht ich bzw. kein*e Studierende*r geworden ist, finde ich natürlich schade. Ich hätte den Job wirklich gern übernommen und das hätte dann der studentischen Mitbestimmung bei uns noch einmal eine ganz neue Dimension gegeben. Ich bin aber der Meinung, dass ich mich mit diesem Ergebnis als erster Student der in der Geschichte unserer Hochschule überhaupt zur Wahl stand, sicher nicht verstecken muss.
Möchtest Du etwas zur Wahl insgesamt sagen?
Nun, zunächst muss ich hier erwähnen, dass das alles natürlich nicht allein meine Leistung war. Von der Idee über die Planung bis hin zu Auftritten, hatte ich Unterstützung und dafür bin ich sehr dankbar. Eigentlich stammte die Idee, sich für das Amt aufzustellen, von einem Kommilitonen und wir haben uns auch gemeinsam beworben. Er ist allerdings nicht weitergekommen; stand mir aber dafür die gesamte Zeit hilfreich zur Seite und hat mich unterstützt. Auch aus der Studierendenschaft und aus den Reihen der Professor*innen hatte ich Zuspruch erhalten – sowas spornt dann natürlich an.
Die besondere Herausforderung für mich bei dieser Wahl bestand in erster Linie darin, Überzeugungsarbeit dahingehend zu leisten, dass Studierende nicht nur das Recht haben in so ein Amt gewählt zu werden, sondern auch, dass wir ernst genommen werden, wenn wir so einen Anspruch formulieren. Denn, bei allem Zuspruch den ich erhalten habe, gab es auch Misstrauen und nicht wenige die nicht viel von der Idee hielten. Hier mussten wir Mauern in Köpfen einreißen und hier und da haben wird das sicher auch geschafft, wie das Ergebnis zeigt.
Ich muss aber leider auch sagen, dass die Wahl an der Hochschule unter den Studierenden wenig thematisiert wurde und außerhalb der ohnehin politisch aktiven Kreise kaum Beachtung fand. Das finde ich natürlich schade und an der Stelle müssen wir auch unsere eigene Arbeit kritisch bewerten, denn auch durch die Organe der Studierendenschaft wurde das wenig öffentlich angesprochen.
Deine Reden bei den öffentlichen Vorstellungsrunden im Akademischen Senat und der Akademischen Versammlung sorgten für Aufsehen: Nicht nur wurde Deine Begründung einer Zivilklausel für Forschung und Lehre angezweifelt; Du hast auch einen besonderen Augenmerk auf Hochschulangehörige mit bestimmter Parteimitgliedschaft gelegt.
Das sind zwei für mich sehr wichtige Themen und aus diesem Grund habe ich sie auch in den Fokus meiner Auftritte gelegt. Mir ist bewusst gewesen, dass es hier zu kontroversen Diskussionen kommen wird, aber das ist ja eigentlich immer so, wenn unbequeme und brisante Themen angesprochen werden.
Bei der Zivilklausel geht es im Kern darum, dass eine zivile Bildungseinrichtung nicht für militärische Forschung und für die Ausbildung von Soldat*innen genutzt werden soll. Beides findet aktuell an der BHT statt und das kritisiere ich [Anm.: Artikel zum Thema]. Es gab hier zu einem bestimmten Forschungsprojekt das ich als Beispiel angesprochen hatte, unterschiedliche Faktenlagen, das ist richtig. Allerdings ändert das eben nichts daran, dass an der BHT aktuell militärische Forschung betrieben wird und Soldat*innen ausgebildet werden. Ich vertrete die Haltung, dass so etwas nichts an einer zivilen Bildungseinrichtung verloren hat. Die BHT sollte sich einzig dem Frieden, der Forschung und dem Fortschritt verschreiben. Zahlreiche Hochschulen in Deutschland sehen das genauso und aus diesem Grund gibt es dort bereits Zivilklauseln. Auch das StuPa der BHT ist meiner Argumentation gefolgt und hat auf meinen Antrag hin beschlossen sich an der BHT für die Schaffung einer Zivilklausel einsetzen zu wollen [Anm.: s.a. StuPa-Protokolle]. Auf mich sind nach der Wahl viele Professor*innen zugekommen und haben mir versichert, dass sie dieses Anliegen unterstützen wollen. Wir sind hier also auf einem guten Weg denke ich.
Der andere Punkt betrifft die politische Haltung von Mitgliedern der Hochschule. Ich bin ein glühender Antifaschist und zwar, weil es richtig und notwendig ist. Gerade an einer Bildungseinrichtung haben so rückwärtsgewandte und menschenverachtende Ideologien, wie sie eben auch durch Parteien wie die AfD vertreten werden, nichts verloren. Bildung sollte weder Grenzen haben noch Hautfarben kennen. Leider sehen das nicht alle so – auch bei uns. Wir als BHT haben in Berlin den größten Anteil an Studierenden mit einer Migrationsbiografie. Ich finde das großartig. Es bereichert uns und eröffnet einen Perspektivwechsel. Wenn nun aber an einer solchen Hochschule mit einer solchen Zusammensetzung der Studierendenschaft Professor*innen lehren, die einen ganz erheblichen Teil unserer Studierendenschaft als „fremdartig“ empfinden und am liebsten aus dem Land vertreiben wollen würden, dann haben wir hier ein reales Problem. Es wäre naiv anzunehmen, dass diese Menschen ihre politischen Ansichten einfach zuhause lassen. Mache ich ja schließlich auch nicht. Wir müssen uns hier einfach fragen, ob Menschen mit solchen Überzeugungen zu uns passen und ob wir ihnen die Gestaltung unserer Zukunft anvertrauen wollen. Zumindest ich habe dazu eine klare Haltung – nein! Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und jede andere Form der Diskriminierung hat hier nichts verloren und sich gegen die Feinde der Freiheit und der Menschlichkeit einzusetzen ist mir und sollte uns allen, gleichsam Pflicht wie Ehre sein.
Du sprachst auch vom durch das Studierendenparlament ausgerufenen Klimanotstand. Was ist das und was sollte jetzt passieren?
Das StuPa der BHT hat auf meinen Antrag hin für die Organe der Studierendenschaft den Klimanotstand ausgerufen. Damit reihen wir uns in eine wachsende Zahl an Institutionen, Gemeinden und Städten ein, die den menschengemachten Klimawandel als die wohl größte Bedrohung für die Gesellschaft unserer Zeit begreifen. Wir müssen handeln und das verstehen immer mehr Menschen. Dass sich hier ein Bewusstseinswandel vollzieht, lässt an den immer größer werdenden Protesten der Fridays-for-Future-Bewegung oder Ende Gelände beobachten.
Durch das Ausrufen des Klimanotstandes signalisieren wir der Gesellschaft, dass wir den menschengemachten Klimawandel auch als unser Problem und unsere Aufgabe begreifen. Dazu kommt, dass wir uns damit selbst verpflichten künftig alle Ausgaben, Anschaffungen und Beschlüsse, auf ihre Auswirkungen für unser Klima zu prüfen und daran zu messen.
Damit ist es natürlich nicht getan. Wir wollen als Nächstes auf den Akademischen Senat und das Präsidium der Hochschule zugehen und sie auffordern, sich uns anzuschließen und den Klimanotstand für die gesamte Hochschule auszurufen. Wir alle können unseren Beitrag leisten und das sollten wir eben auch an der Hochschule tun.
Deinen Angaben zufolge hattest Du eigentlich gar nichts vorbereitet. Bei so einer Rede nehme ich Dir das nicht ab – war das alles improvisiert?
Das nehme ich mal als Kompliment. In Vorbereitung auf die Wahl ist ja viel zu lesen und zu hören gewesen von den Kandidierenden – auch von mir. Ich wollte an dieser Stelle nicht noch mal über mich sprechen, sondern die Gelegenheit einer großen Bühne mit der Aufmerksamkeit der Hochschule nutzen. Ich habe mir gedacht, eine bessere Chance, die jüngsten Beschlüsse des StuPa zu Zivilklausel und Klimanotstand allen zu präsentieren und dafür zu werben, bekomme ich so schnell nicht wieder. Also hatte ich nur den Plan gefasst genau diese Dinge anzusprechen.
Natürlich habe ich mir überlegt, wie ich das Ganze aufbaue und was ungefähr ich sagen möchte aber eine richtig ausgearbeitete Rede oder gar ein Konzept gab es nicht.
Hochschulen und Universitäten wie die HNE Eberswalde haben bereits verpflichtend die Position einer*s studentischen Vizepräisdent*in. Befürwortest Du solche Entscheidungen oder siehst Du die Gefahr des Delegitimierens der Gremien der studentischen Selbstverwaltung (AStA, StuPa, FSR)?
Ja, das ist mir bekannt. Diesen Weg gehen einige Hochschulen, aber das ist eigentlich nicht das Ziel, was ich erreichen wollte. Ich sehe hier eigentlich weniger die Gefahr darin, dass andere studentische Gremien dadurch delegitimiert werden würden, als vielmehr in dem Umstand, dass wir damit nicht einen der Plätze am Tisch bekommen würden, sondern uns nur ein neuer Stuhl hingestellt werden würde. Auf diesen Stuhl würde dann immer verwiesen werden, wenn wir mehr mitgestalten wollen würden. Dann würde es fortan, wenn wir uns um ein anderes dieser Ämter bewerben würden, immer heißen, dass wir ja extra diesen neuen Stuhl erhalten haben und uns damit zufriedengeben sollten. Das würde die Möglichkeit, dass Studierende einen der regulären Präsidiumsposten erhalten würden verringern und unseren Anspruch darauf schwächen. Was ich für die Studierendenschaft wollte, ist eben nicht ein neuer Stuhl, sondern den gleichberechtigten Anspruch auf einen von denen die schon da sind – verbunden mit allen Rechten und Pflichten die damit einhergehen.
Was bleibt von Deiner Kandidatur? Was sind Deine Hoffnungen für die nächsten vier Jahre?
Dadurch dass ich so weit gekommen bin, war die Hochschule gezwungen sich mit dem Thema und der realen Möglichkeit eines studentischen Vizepräsidenten, auseinanderzusetzen. Dazu hatte es ja bisher keinen Anlass gegeben. Auch die anderen Kandidierenden waren gezwungen für sich zu entscheiden, ob sie bereit gewesen wären, die Amtszeit mit einem studentischen Vizepräsidenten zu bestreiten. Ich denke, dass ich durch meine Kandidatur dazu beigetragen habe, dass dies bei uns nun nicht mehr ein rein theoretisches Gedankenspiel ist – jetzt nicht mehr. Vielleicht lassen sich davon andere Studierende oder gar andere Hochschulen inspirieren und wagen den Versuch eines statusgruppenübergreifenden Präsidiums.
Ich hoffe, auch wenn es diesmal noch nicht geklappt hat, dass wir so den Weg für eine zukünftige studentische Vizepräsidentschaft geebnet haben. Wer weiß – vielleicht schon in 4 Jahren.